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700 Jahre Stadtrecht Steinheim von Ludwig dem Bayer an Gottfried von Eppstein

„Meilenstein“ auf dem Weg zur Demokratie

 

Wir haben die Zeit des Spätmittelalters. Nach der letzten Familienherrschaft der Staufer (Absetzung Friedrichs II 1250 und Hinrichtung Konradins 1268) waren die Fürsten des Römischen Reiches sich einig, dass es kein erbliches Königtum eines Hauses mehr geben sollte.

Die anfangs 7 Kurfürsten des Reiches sollten einen Fürsten zum römisch-deutschen König wählen. Nach einer Zwischenkönigszeit, auch Interregnum genannt, wollten sich die Habsburger mit der Wahl Rudolf I von Habsburg (Wahl 1273) wieder eine Familienmacht sichern.

In dieser Übergangszeit galt das Faustrecht, da die „Könige“ ihre Macht nicht mehr durchsetzen konnten. Der Reichsspruch zu Worms (1231) bestätigt durch Friedrich II 1232 erkannte den Fürsten des Heiligen Römischen Reiches Privilegien zu. Sie beinhalteten die Festschreibung aller bis zu diesem Zeitpunkt den Fürsten zuerkannten und von ihnen selbst erworbenen Vorrechte (Regalien) in 23 Artikeln. Außerdem bedeutet diese Urkunde eine Garantieerklärung der genannten Privilegien für die Zukunft, wie Selbstständigkeit bei der Verwaltung des eigenen Territoriums, Gerichtsbarkeit und Erhebung von Zöllen. Gemeinsam mit dem Bündnis mit den Fürsten der Kirche (1220) bildete es den Ausgangspunkt der föderalistischen Entwicklung im Reich und seinen Nachfolgestaaten.

Diese Rechte hatte Kaiser Friedrich II erteilt, da er Italien bevorzugte und in den deutschen Landen Ruhe haben wollte. So viele Rechte gab es in keinem anderen Land, es machte die Länder fast zu unabhängigen Staaten im Staate. Bis es in Deutschland wieder einen anerkannten König gab, waren in England und Frankreich Monarchien mit straffer zentraler Regierung herangewachsen. In Deutschland schlugen Landesfürsten ihre eigenen Münzen, kassierten Zoll an ihren Grenzen, hatten die Gerichtsbarkeit und Befestigungshoheit. Dies waren früher alles königliche Rechte.

Die Landesfürsten wurden somit zu Trägern der staatlichen Ordnung. Die Kaufleute im Reich waren einer Willkür ausgesetzt. Um die Wirtschaftskraft der Städte und Fürstentümer zu sichern bildeten sich ab 1254 Städtebünde. Diese waren bemüht den Landfrieden abzusichern.

Eine Königsmacht war unter diesen Umständen nur noch in bescheidenem Rahmen möglich. Jeder König war vor allem auf die Macht seines eigenen Fürstentums angewiesen. Darüber hinaus konnte er sich auf die rund 80 freien Reichstädte stützen, die ihm direkt unterstanden. Wieweit ihn die Territorialherren z. B. auf einem Heerzug unterstützten, hing davon ab, wie viele Vorteile sie sich davon versprachen.

Gleichzeitig konnte ab dem frühen Mittelalter nur ein Deutscher durch den Papst zum Kaiser des Römischen Reiches bestätigt werden. Diese päpstliche Bestätigung sollte dem König erst, nach kirchlicher Rechtsauffassung, seine Rechte geben. Die päpstliche Approbation war ein Machtanspruch des Papstes gegenüber den Fürsten des Römischen Reiches. Die Päpste wollten so die Weltherrschaft. Mit Johannes XXII, genannt der „Fuchs von Cahors“, hatte man seit 1316 einen persönlich einfach lebenden aber einen der korruptesten Kirchenfürsten auf dem Avignoner Papstthron.

Nach dem Tod Kaiser Heinrichs VII 1313, aus dem Hause Luxemburg, dauerte es 14 Monate bis es zu einer neuen Königswahl kam. Eigentlich wollten sich die Luxemburger die Stimmen der Kurfürsten sichern, aber die Habsburger mit Friedrich dem Schönen und die Wittelsbacher mit Ludwig dem Bayer waren auch im Rennen. Der Luxemburger verzichtete, da er nicht über genügend Geld und somit Macht verfügte zu Gunsten des Habsburgers. Die 7 Kurfürsten konnten sich nicht einigen. Am 19.10.1314 wurde Friedrich in Sachsenhausen durch 4 Kurfürsten und am 20.10.1314 Ludwig vor den traditionell vor einer Wahl verschlossenen Toren von Frankfurt durch 3 Kurfürsten zum römisch-deutschen König gewählt. Danach öffneten sich für Ludwig die Tore und er wurde im Frankfurter Dom auf den Altar des hl. Bartholomäus gehoben. Eine Stimmenmehrheit war damals noch kein demokratisches Mittel einer Wahl. Gekrönt wurde Ludwig am Königskrönungsort Aachen aber nur mit nachgebildeten Insignien und mit dem falschen Königskröner dem Erzbischof von Mainz, Friedrich wurde am gleichen Tag in Bonn gekrönt, aber mit dem rechtmäßigen Königskröner dem Erzbischof von Köln und den echten Reichsinsignien, die ja bei den Habsburgern in Wien lagerten. Friedrich war der Cousin von Ludwig.

Was hatte man nun. Ein Reich mit zwei Königen. Eine Anerkennung des Papstes konnte nicht erfolgen. Der Stuhl Petri war von 1314 bis 1316 verwaist. Eine Klarheit konnte nur durch ein „Gottesurteil“, eine Schlacht erfolgen. Bis auf kleinere Scharmützel kam es vorerst nicht dazu, da Ludwig erst seine eigene Hausmacht, die er mit seinem Bruder teilte, stärken musste. Sein Bruder hielt zu den Habsburgern. Und Friedrich hatte seine Macht gegen die schweizer Eidgenossen zu verteidigen.

Im Juni 1320 verstarb auch noch Peter von Aspelt, Erzbischof von Mainz, die zuverlässige Stütze in den Jahren des Thronkampfes als römisch-deutscher König gegen seinen Vetter Friedrich dem Schönen aus dem Hause Habsburg. Neuer Bischof von Mainz wurde, auf Veranlassung des Papstes, der Habsburgfreund Mathias von Buchegg.

Ludwig der Bayer arbeitete auf das Gottesurteil hin. In der Schlacht bei Mühldorf, der letzten Ritterschlacht ohne Feuerwaffen, am 28. September 1322 besiegte er Friedrich den Schönen. Er war somit alleiniger römisch-deutscher König. Um eine Aussöhnung mit den Habsburgern zu erreichen, erkannte Ludwig seinen Vetter Friedrich im September 1325 als Mitkönig an. Ludwig wurde am 17. Januar 1328 schließlich Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Indes hatte Ludwig seine erste Landfriedensorganisation im Rheinland und dem Maingebiet errichtet und sich damit die Dankbarkeit und Anhängerschaft dieser städtereichen und wirtschaftlich rührigen Gebiete sicher können – was Truppenkontingente und Geld bedeutete. Als Reichslandvogt setzte er Gottfried von Eppstein ein.

Viel Geld war von Nöten zur Königswahl (Stimmenkauf), Machterhalt- und erweiterung (Truppen mit Rittern, auf jeden Ritter entfiel ein Knappe und zwei bis drei Fußsoldaten, Bogenschützen und Kumanen) und Unterhalt der Reichskanzlei und des Hofes.

Geld, Dankbarkeit und Anhängerschaft erhielt man durch die Vergabe von Privilegien. So heißt es im Stadtrechtsprivileg für Steinheim vom 4. Dezember 1320:
„Wir Ludwig… wünschen, dass das folgende zur Kenntnis aller gelange: Indem wir mit Dankbarkeit unsere Aufmerksamkeit auch auf die treuen Dienste, die unser treuer Edelmann Gottfried von Eppstein uns und dem Reich erwiesen hat und in Zukunft erweisen soll, richten…“ und er erhielt dafür für das Dorf Steinheim die Freiheit und er wünscht und erlaubt, dass sie die gleichen Rechte geniest wie die Freie Reichstadt Frankfurt. Er soll sie befestigen, mit einer Mauer versehen und zur Stadt ausbauen.

Das kommt Gottfried für Steinheim gerade recht. Freiheit, Befestigung und die Stadtrechte wie Frankfurt! Die Stadt Steinheim nahm ihren Anfang.

Der größte Teil der Bevölkerung lebte und arbeitete im Mittelalter auf dem Land. Sie verbrachten in der Regel ihr ganzes Leben auf dem Dorf. Bis auf die kirchlichen Festtage arbeiteten sie jeden Tag sehr hart für ihren Grundherren. Sie waren Leibeigene von Adeligen, Äbten, Bischöfen oder König. Einige Felder wurden ihnen zur eigenen Nutzung überlassen, dafür mussten sie Abgaben zahlen. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Verbindung mit der Erbteilung konnte der gepachtete Grundbesitz die Bevölkerung nicht mehr ernähren. Es kam zur Landflucht. In der Stadt galt die Aufhebung der Leibeigenschaft nach Jahr und Tag. Es galt der Rechtsgrundsatz: „Stadtluft macht eigen“. Das Interesse des Stadtherren an der raschen Entwicklung ihrer Städte bewirkte die rechtliche Besserstellung ihrer Neusiedler. Unter ihnen fanden sich alle ständischen Gruppen: Adelige und Ministeriale, bäuerliche sowie handwerkliche Hörige und Leibeigene, freie Handwerker, Lohnarbeiter und Bettler. Der urbane Lebensraum bot verbesserte Entwicklungsmöglichkeiten. Im Zuge der sich ausdifferenzierenden Wirtschaft- und Sozialstrukturen eröffneten sich neue Handlungsmöglichkeiten und damit war die Möglichkeit verbunden auch sozial aufzusteigen. Das Bürgerrecht konnte nur bei Besitz, in Form eines Wohnsitzes im Eigentum, erworben werden.

In der Stadt herrschte garantierte Gewaltlosigkeit. Sie gab die Sicherheit gegenüber dem Landrecht auf objektive und faire Justiz, Ruhe und das Verbot von eigener Rechtsauslegung. Jeder Stadtbewohner war zum Friedegebot angehalten. Die Rechtsprechung war dem Stadtherrn übertragen und verlagerte sich im Zuge der Emanzipation auf die Bürgergemeinde.

Die kaufmännischen Rechte, wie Handels- und Zollfreiheit, das recht Waffen zu tragen und die Möglichkeit der Vererbung des eigenen Grund- und Bodens wurden nach und nach von der Bürgergemeinde erweitert und stellten eine völlige Neuheit in der Rechtsgeschichte da. Früher musste ein Recht eine lange alte Tradition haben, jetzt wurde der Inhalt zum legitimierenden Gesetz. Es wurde von den Bürgern der Stadt zum Wohle aller anerkannt und darauf geschworen. Der Bürger hatte seine Rechte nicht, weil er Bürger war, sondern als Teil des Gewerbephänomens „Stadt“. All seine Rechte und Pflichten sind darauf ausgelegt. Das moderne Verständnis dieser Rechte sind heute in Artikel 14 des Grundgesetzes abgesichert.

Das Recht auf Befestigung stellte mit der Mauer nur gestaltgewordenes Recht dar. Es war das Hoheitsrecht auf Verteidigung. So lässt sich verallgemeinern, dass eine Stadt immer gewisse Sonderrechte wie z. B. das Markt- oder Wahlrecht, das Münzrecht und das Stromhoheitsgesetz besaß. Dadurch nahm sie eine
Sonder- und meist auch Führungsstellung innerhalb ihrer Region ein, die sich auf
die wirtschaftliche, politische, kulturelle und sakrale Ebene auswirken konnte. Es ermöglichte der Stadt eine florierende und zumindest theoretisch vor Feinden gesicherte Wirtschaft aufzubauen und damit den Reichtum zu sichern.

Die Bürger mussten der Stadt Jahreszinsen zahlen und hatten Bürgerdienste, die vom Wachdienst über Brunnenpflege bis zum Mauerbau reichten.

Adlige, Geistliche und Juden hatten jedoch einen völlig anderen Rechtsstatus inne als die Bürger. Adel und Klerus genossen von je her gewisse Sonderprivilegien wie Steuerbefreiung und ihre eigene Gerichtsbarkeit.

Die Juden, mit kaiserlicher Gestattung vom vom 5. August 1335 in Steinheim, bildeten einen eigenen Gemeinderat und konnten ihr geistliches Oberhaupt, den Rabbi, selbst wählen. Sie hatten nicht das Wahlrecht wie es die Bürger besaßen. Die Städte mussten für dieses Privileg die Hälfte ihrer Steuereinnahmen abgeben.

Das vom König sehr offen formulierte Recht nach Frankfurter Recht hat er dann mit Urkunde vom 3 März 1332 präzisiert und eingeschränkt. Steinheim durfte einen Wochenmarkt abhalten und es durfte in einem Niedergericht Recht gesprochen werden wie in Frankfurt. Nötigenfalls durch Belehrung durch den Frankfurter Oberhof.

1336 erhielt, nun die Stadt Steinheim, das Recht für ein freies Lehen mit dem Maine, vom Dorf Steinheim bis nach Hainstadt. Jetzt durfte nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung des Stadtherren im Main gefischt werden.

Als weitere Vergünstigungen erhielt der Stadtherr später noch das Recht Zoll einzunehmen und seit 1335 Münzen zu prägen.

In der Zeit des Spätmittelalters hatte man es mit Stadtgründungen mit kleineren bis mittleren Städten zu tun. Die Entstehung ist dem Landesherrn zu verdanken und er ist Stadtherr und führt sie mit fester Hand. Er gewährt ihnen eigenes Recht unter einem von ihm eingesetzten Richter. Ein Rat regelt die innere Verwaltung und übt mit der Siegelführung die freiwillige Gerichtsbarkeit aus. Wirtschaftlich sind es Ackerbürgerstädte, die die Bedürfnisse des regionalen Handelns mit einem kleinen Markt und handwerklichen Tätigkeiten zu erfüllen vermögen. Ihre Hauptaufgabe lag in der militärischen Bedeutung. Die Bürger verteidigten sich selbst, sie waren billiger  als Söldnerheere und zuverlässiger als die Lehensheere. Eine kleine Anzahl von Burgmannen bildeten den Kern eines militärischen städtischen Aufgebots.

Steinheim verlor im Laufe der Eppsteinischen Herrschaft seine strategische Ausrichtung für dieses Geschlecht und war nur noch Manövriermasse als Sicherheit für Kreditgeschäfte. Dies änderte sich erst 1425 durch Verkauf der Stadt mit allen dazugehörigen Dörfern und Ländereien an das Erzbistum Mainz. Steinheim wurde nun ausgebaut als östlicher Stützpunkt vor Frankfurt und als Verwaltungssitz für das Amt Steinheim mit seinem Zoll- und Steuereinnahmen.

Burkhard Huwe

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